Die Seehundzahlen im Wattenmeer sind auch 2014 stabil geblieben. Die trilaterale Seehundexpertengruppe (Trilateral Seal Expert Group) teilte mit, dass es sich dieses Jahr zwar nicht wieder um ein Rekordjahr für den Seehundbestand handelt, der Bestand aber trotz leichtem Rückgang um weniger als 1% im Vergleich zum Vorjahr aber weiterhin als sehr stabil bezeichnet werden kann. Seit dem letzten großen Seehundsterben im Jahr 2002, dem fast die Hälfte der Population zum Opfer fiel, nahmen die Bestände bis zum Vorjahr kontinuierlich zu, die Experten schließen aber eine generelle Abschwächung des Populationswachstums nicht aus. Die Zahlen werden traditionell im August während der Fellwechselperiode, und den damit verbundenen häufigeren Landaufenthalten der Tiere, durchgeführt. Dies hat zur Folge, dass die Anfang Oktober bekannt gewordene erhöhte Seehundsterblichkeit in Dänemark und Schleswig-Holstein, ausgelöst durch den Ifluenza-H10N7-Virus, nicht in den Zahlen berücksichtigt wurde. Die Totfunde insgesamt in beiden Regionen belaufen sich derzeit auf mehrere Hundert Tiere. Die trilaterale Seehundexpertengruppe geht zurzeit nicht davon aus, dass das Auftreten dieser Erkrankung eine Gefahr für den gesamten Bestand der Seehunde im Wattenmeer darstellt. Selbstverständlich müssten Verlauf und Ausbreitung genau beobachtet werden.
„Trotz der momentan leicht angespannten Situation in Dänemark und Schleswig-Holstein ist die Entwicklung des Seehundbestands im Gebiet des Weltnaturerbes Wattenmeer eine einmalige Erfolgsgeschichte“ berichtet Folkert de Jong, kommissarischer Leiter des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats in Wilhelmshaven, als Institution verantwortlich für die Koordination der Seehundzählungen. „Die Seehundbestände sind ein Indikator für eine erfolgreiche trilaterale Zusammenarbeit zum Schutz des Wattenmeeres“.
Der erfassbare Bestand aus dem deutschen, dänischen und niederländischen Wattenmeer belief sich zum Zeitpunkt der Zählungen auf 26.576 Seehunde. Im Einzelnen konnten in Dänemark 3.368 (bei 654 Jungtieren), in Schleswig-Holstein 9.174 (3.853), in Niedersachsen und Hamburg 6.968 (2.067) und in den Niederlanden 7.066 (1.856) Tiere gezählt werden. Im Gegensatz zu 2013 gab es also in 2014 einen geringen Rückgang der Gesamtzahlen, jedoch einen sprunghaften Anstieg (21%) bei den Jungtieren.
Regional betrachtet fällt auf, dass die Entwicklung der ermittelten Bestände durchaus unterschiedlich ausfällt. Während in Dänemark eine Zunahme von 22% und in Schleswig-Holstein von 10% zu verzeichnen war (entgegensetzt zur Entwicklung im Vorjahr), sind die Bestände in Niedersachsen/Hamburg und in den Niederlanden um 14% bzw. 7% zurückgegangen. Dies resultiert in einer Verlagerung des Gesamtbestands nach Osten, wohingegen in 2013 noch eine Bewegung nach Westen beobachtet werden konnte. Diese Verschiebungen untermalen die hohe Mobilität der Tiere und der Gesamtpopulation, die so vermutlich auf Einflüsse wie verfügbare Nahrung, Fortpflanzungsbedingungen und etwaige Störungen reagieren. Einschränkend muss allerdings auch erwähnt werden, dass insbesondere ungünstiges Wetter die Zählergebnisse beeinflussen können. „Umso wichtiger ist es, die Gesamtpopulation der Seehunde im Wattenmeer mit Hilfe der möglichst gleichzeitig durchgeführten und über vier Regionen koordinierten Zählungen zu beobachten“ ergänzt Folkert de Jong. Berücksichtigt man die Tatsache, dass sich Seehunde viel im Wasser aufhalten und rechnet diese Tiere in die Zählergebnisse mit ein, korrigiert sich die Gesamtzahl auf 39.100 Tiere in 2014.
Für die Kegelrobben stellt sich die Situation etwas anders dar: Nach den rückläufigen Zahlen in 2013, konnten während der Fellwechselperiode in diesem Jahr ein Bestand von 4.276 Tieren ermittelt werden, was einer Zunahme von über 50% entspräche, bei einer positiven Entwicklung der Jungtierzahlen um 11%. Der gezählte Zuwachs der Kegelrobbenpopulation hat laut den Mitgliedern der Expertengruppe vermutlich mehrere Gründe: Zum einen war der Frühling 2014 verhältnismäßig warm, was die Zahlen während des Fellwechsels begünstigt haben könnte, da sich weniger Tiere im Wasser aufgehalten haben. Die warmen Temperaturen könnten außerdem die alljährlich beobachtete Zuwanderung von Tieren, vor allem aus britischen Gewässern, begünstigt haben. Da der Bestand der Jungtiere kontinuierlich zunimmt, gehen die Experten weiterhin von einer positiven Populationsentwicklung aus. Kegelrobben sind von der Virusinfektion im nördlichen Wattenmeer bislang nicht betroffen.
www.waddensea-secretariat.org